Wie sieht die Realität der Arbeitswelt 4.0 aus? Die jährliche Gallup-Studie zeigt, wie die persönliche Bindung eines Arbeitnehmers zum Unternehmen ist. Dabei sind die Zahlen seit Jahren in etwa gleich: 15 Prozent geben an, eine hohe Identifikation mit ihrem Unternehmen zu haben, 70 Prozent geben eine geringe und 15 Prozent geben an, gar keine emotionale Bindung an ihr Unternehmen zu haben. Das heißt, 85 Prozent aller Mitarbeiter haben wenig bis überhaupt keine innere Bindung an ihr Unternehmen. Die 15 Prozent, die sich überhaupt nicht mit ihrem Unternehmen identifizieren, verursachen volkswirtschaftlich gesehen einen Schaden von über 105 Milliarden Euro pro Jahr.
Wenn man nachfragt, liegen die Hauptursachen am Führungsverhalten der Vorgesetzten sowie an deren mangelnder menschlichen Kompetenz. Es wird beklagt, dass man als Mitarbeiter zu wenig Anerkennung oder zumindest Feedback bekommt. Und wenn schon Feedback, dann in mangelhafter Form. Ein häufig kritisierter Punkt ist auch das Kommunikationsverhalten. Die eigene Meinung zählt nicht bzw. wird nicht mit einbezogen, und die Informationen, die von oben nach unten in der Firmenhierarchie fließen, sind nicht ausreichend. Es fehlt außerdem in der Regel der Fokus auf die Entwicklung der Mitarbeiter.
Was sind die Kernprobleme?
Nun befinden wir uns aber in der Zeit von Arbeit bzw. Industrie 4.0, die ganz andere Anforderungen an die Führungskräfte stellt. Gleichzeitig ist die Hauptursache für die fehlende Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen das mangelhafte Führungsverhalten der Führungskräfte ist. Wie lässt sich Leadership 4.0 umsetzen, wenn schon das normale Führen in Unternehmen vielfach nicht funktioniert?
Ursache für diesen Zustand sind zwei Kernprobleme. Das erste: In der Regel wird die beste Fachkraft Führungskraft. Man hat eine Führungsposition zu besetzen und schaut meist, wer schon lange im Team ist oder viel fachliche Erfahrung hat. Dabei vergisst man den Aspekt, dass nicht jeder, der fachlich kompetent ist, auch menschlich für einen Führungsposten geeignet ist. Eine Führungskraft hat im Wesentlichen drei wichtige Aufgaben: den eigenen Aufgabenbereich weiterzuentwickeln und dabei mitzuhelfen, das Unternehmen in die Zukunft zu führen; die Mitarbeiter zum Erfolg zu führen; die eigene Führungspersönlichkeit aufzubauen. Führung funktioniert dann am besten, wenn die Mitarbeiter Vertrauen zu ihrem Vorgesetzten haben. Er muss nicht perfekt sein, aber er muss das menschliche Vertrauen seiner Mitarbeiter gewinnen können.
Das zweite Kernproblem: Führungskräfte konzentrieren sich meistens zu sehr auf das Fachliche. Damit machen Sie sich dann aber zu „Anleitungskräften“. Führungskräfte aber sollen führen und ihre Mitarbeiter im positiven Sinn antreiben, nicht nur anleiten.
Schlüsselkompetenzen
Spontan könnte man meinen, die wichtigsten Führungskompetenzen seien Fähigkeiten wie Zielorientierung oder Durchsetzungsvermögen, aber das stimmt nicht. Wirklich erfolgreiche Führungskräfte zeigen folgende Führungsfähigkeiten:
In Anbetracht der beiden Kernprobleme in den Führungsetagen, heißt das: Es braucht grundlegende Veränderung. Doch wie sieht gute Führungskräfteentwicklung aus? Die Empfehlung lautet häufig: „Gehen Sie doch auf ein Seminar.“ Doch lässt sich auf einem 2-Tages-Seminar „Vom Mitarbeiter zur Führungskraft“ lernen, was man braucht, wenn man plötzlich aus der Teamebene auf die Führungsebene gehoben wird? Mit Sicherheit nicht. Hilfreich ist letztlich nur eine konkrete persönliche Anleitung der angehenden Führungskraft durch diesen durchaus krisenhaften Übergang. Es braucht eine regelmäßige Reflektion dieses Prozesses, Feedback und Hilfe dabei, das neue Rollenverhalten kennen zu lernen und sich auszuprobieren. Auch um zu erkennen, was noch fehlt und wie sich das entwickeln lässt. Das ist im Grunde ein Coaching- und Trainingsprozess.
Wenn Sie also auf ein Seminar gehen wollen, überlegen Sie sich das gut. Weiterbildung in dieser Form bringt in der Regel beim Thema Führungskräfteentwicklung nicht das gewünschte Ergebnis, denn solche Seminare sind nicht individuell genug ausgelegt. Sie bedienen nicht den Schulungsbedarf des Einzelnen. Bei solchen Seminaren handelt es sich um punktuelle Einzelmaßnahmen. Es fehlt an der Kontinuität, was sich vor allem durch fehlende Nachbereitung und Unterstützung bei der konkreten Umsetzung in die Praxis nachteilig zeigt.
Kulturentwicklung
Was aber macht man dann? Wie kommt man zu einem neuen Denken? Hier kommt die Kulturentwicklung ins Spiel. Jedes Unternehmen hat eine Persönlichkeit, eine Identität, seine eigene Art sich zu kleiden, zu sprechen, sich zu bewegen, sein eigenes Überzeugungssystem, sein Selbstbild, seine eigene Mentalität. Wenn man sich mit Führung in einem Unternehmen auseinandersetzen will, muss ich zuerst verstehen, was die Identität dieses Unternehmens ausmacht. Was sind gelebte Werte und Überzeugungen des Unternehmens, was sind Muster in der Organisation? Das Schwierige ist, dass dies oft unbewusst gelebt wird. Erst wenn man diese Muster erkannt und verstanden hat, kann man etwas verändern.
Das heißt aber auch, dass Führungskräfte immer mit einbezogen werden müssen, wenn man ein Führungskräftekonzept für ein Unternehmen erstellt. Denn nur sie können sagen, was sie genau brauchen. Zudem beteiligen sie sich innerlich stärker, wenn sie zuvor mitbestimmen durften. Erst dann ist der Zeitpunkt, konkrete Maßnahmen zu ergreifen: gezielt Themen angehen, Werte entwickeln, gezielt Coaching einsetzen. Maßnahmen, die eine Organisation oder eine Führungskraft über einen längeren Zeitraum begleiten. Nachhaltigkeit ist dabei ein hoher Wert. Nur Maßnahmen, die die Unternehmenskultur berücksichtigen und weiterentwickeln, machen Sinn, wenn Führungskräfteentwicklung 4.0 funktionieren soll.